Der Kampf ums letzte Schulheft

Nun darf ich das also auch mal mitmachen. Nicht als Schüler sondern als Stiefvater einer lieben, süßen, neugierigen 6 jährigen. Letzten Dienstag war es soweit, der erste Schultag im Leben meiner Stieftochter. (Nennt mich altmodisch, aber mit Bonusvater und all den neuen Ausdrücken komm ich nicht so wirklich klar.) Die Nacht zuvor war kurz, denn das Einschlafen wollte ihr nicht so recht gelingen. Dann war er da. Um 9:00 Uhr war Schulbeginn, um 7:30 Uhr fragte sie das erste Mal: „Gehen wir gleich los?“ – Nun, Fußweg sind rund 10 Minuten, ihr könnt euch denken, dass ich über die Frage geschmunzelt habe. Um 7:33 Uhr auch noch. Um 7:41 Uhr auch. Um 7:44 Uhr nicht mehr so wirklich. Irgendwann hatte ich die Frage ignoriert und hätte es beinahe verpasst mich fertig zu machen, wie es dann wirklich so weit war, dass wir losgingen. Voll bepackt mit Schulranzen auf dem Rücken und Schultüte auf den Armen – Nein, nicht auf meinen! – hat die Kleine schon selbst getragen, voller Stolz und Anmut.

An der Schule angekommen musste ich mich erst irritiert umsehen. Ein Blick zum Himmel sagte mir ganz eindeutig: Es ist heller Tag, der Blick auf die Uhr bestätigte, es ist Vormittag. Dennoch stöckelten diverse Mütter in High-Heels und Kleidern Richtung Schulgebäude, die selbst für den roten Teppich der Oscar Verleihung overdressed gewesen wären. Andererseits, passt ja, denn ich fühlte mich wie im Film, im falschen Film. Die dazugehörenden Männer waren meist nicht weniger Gala tauglich gekleidet. Wie gut, das ich mich zumindest rasiert hatte.

Die Schule wohlorganisiert, zahlreiche Helferleins, die bereitwillig Auskunft darüber gaben, in welche Klasse die Kleine sollte und wo diese zu finden ist. Im Klassenraum dann angekommen musste ich doch über die Einrichtung etwas schmunzeln. Selbstverständlich sind die Stühle und Tische an die Kinder angepasst und dementsprechend … putzig klein, natürlich nur aus meiner Sicht eines Erwachsenen. Aber auch hier, die Lehrerin gut organisiert und auf den Ansturm vorbereitet. Die erste halbe Stunde durften die Eltern noch in der Klasse bleiben, danach galt es, das Klassenzimmer zu verlassen und draußen auf dem Schulhof 1,5 Stunden abzuwarten. Wir nutzten die Zeit und haben uns die Räumlichkeiten der Nachmittagsbetreuung angesehen, während die aufgestylten Im-falschen-Film-Stars die Prosecco-Bar auf dem Schulhof stürmten.

Frisch informiert über die Vorgehensweisen in der Nachmittagsbetreuung und dem kurzen Kennenlernen der Betreuerinnen dort, fanden wir uns auch auf den inzwischen Prosecco freien Schulhof wieder. Glücklicherweise gab es noch reichlich lauwarmes Mineralwasser und kühle Gummibärchen. Nach rund einer Stunde durften wir dann meine Stieftochter wieder in der Klasse abholen. Schnell noch ein paar Fotos auf dem Schulhof geknipst und dann ab nach Hause. Erstaunlich, wie schnell die Kleine dann heim flitzte. Allerdings nicht, weil es ihr nicht gefallen hatte, sondern um ihre Schuletüte auszupacken.

Am nächsten Abend gab es schon den ersten Elternabend. Ebenfalls eine ganz neue Erfahrung für mich. Viel BlaBla über die noch zu besorgenden Schulutensilien und vor allem über die Vorgehensweise der Lehrerin im Unterricht. Eine recht lange Liste, die es möglichst schnell abzuarbeiten bzw. die aufgeführten Sachen zu besorgen galt. Wieder durfte ich erstaunt feststellen, dass Schule heute nichts mehr mit dem zu tun hat, was mir noch in Erinnerung war. Na ja, in rund 43 Jahren darf sich ja auch was verändern. Fast 1,5 Stunden auf zu kleinen Stühlen hinter ebenso zu kleinen Tischen sowie diversen Zwischenfragen die nicht hätten sein müssen später, war auch das vorbei.
Erkenntnis des Abends: Selbst die erste Klasse ist heute so gut organisiert wie die Buchhaltung eines Großkonzerns.

Doch dann kam der dritte Tag im Bunde der ersten Schultage. Mit der am Abend zuvor ausgehändigten Liste ins nächste Geschäft für Schulbedarf. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich nicht zur Bundeswehr musste, weil ich ausgemustert wurde. Das mir dies einmal zum Verhängnis würde, weil es mir einfach an Kampferfahrung fehlt, hätte ich nie gedacht. Die Gänge glichen Schützengräben, in denen die Gefechte zwar Waffenlos aber nicht weniger hart um den Platz direkt vor dem gewünschten Utensil ausgetragen wurden.

Besonders hart umkämpft waren die Gräben bei den Lagern von Edding und Stabilo sowie die von Kieser Block und Herlitz. Die Stellung des Zugreifens war kaum zu halten, denn diese musste nicht selten auf Zehenspitzen zu halten versucht werden. Mit Glück wurde nur auf diese getreten, was den Bodenkontakt der ohnehin kleinen und belasteten Fläche enorm verstärkte. Doch meine Lebensgefährtin ist Schulsachen-Einkaufs-Krieg erfahren und meisterte diese Angriffe souverän. Dann fehlte nur noch ein Block. Ein Kieserblock, liniert, für die erste Klasse. Das Fach geleert bis auf einen einzigen. Der Kampfgraben schmal und gut gefüllt. Zwei Kriegsveteranen im Kampf um den letzten Block. Mit Blitzen gefüllten Augen der Rivalen ging es ohne Rücksicht auf menschliche Verluste aus zwei Richtungen auf das begehrte Objekt zu. Eine Szene, die zur Verstärkung der Dramatik sicher in Zeitlupe mit häufigem Sichtwechsel gedreht würde. Kampferprobte Arme mit ausgestreckten Händen, die mit scharf gefeilten, blutrot lackierten Fingernägeln auf den letzten Block zuflogen. Jede der beiden Parteien bereit der anderen gegebenenfalls die Augen auszukratzen. Millimeter trennten beide, gleich nah am orange leuchtendem Kieserblock für die erste Klasse, Kämpferinnen der Mütterspezialeiheit gegen die die GSG9 wie ein Haufen Faultiere aussehen würde. Die letzte Sekunde vor dem erbarmungslosen Kampf startete mit einer überraschenden Wendung. Ein Kind griff von unten an und sicherte sich den begehrten, letzten Block. Beide Kämpferinnen lächelten sich an, als wäre nichts gewesen, doch in ihren Augen war zu lesen: „Warte nur ab, das nächste Schuljahr kommt garantiert, dann bist du fällig!“

Kampf um Kieser

Erstes Schuljahr? Meine Güte, mir tun jetzt schon die Eltern leid, die es im nächsten Jahr zum ersten Mal erleben müssen. Mein Tipp: Hieb-, Stich- und Schusssichere Kleidung aus Kevlar ist gar nicht so schwer und trägt kaum auf, schützt dafür ungemein!

Bitte bleibt mir gewogen!

Euer
Marcus Sammet

 

 

Über Marcus Sammet

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